Kompetenzen - Mai 2016

Unter Kontrolle

Wie zähmt man laute WC-Spülungen?

Die WC-Spülung eines Nachbarn will man in den eigenen vier Wänden nicht hören. Doch genau das war in einem fast fertiggestellten Wohnbau in Deutschland das Problem. Die Ursache zu orten und zu beheben, erforderte akustische Detektivarbeit.

Wir sind uns einig: Wenn immer möglich soll die eigene Wohnung ein Ort der Ruhe sein. Bei einem grossen Wohnbau in Deutschland bestand die Gefahr, dass der Bauträger diesen höchstrichterlich geschützten Anspruch nicht erfüllen konnte. Kurz vor Bauübergabe zeigten Tests, dass WC-Spülungen mit Quark als Fäkalienattrappe störende Klatschgeräusche auslösten. Spülungen ohne Quark blieben hingegen unauffällig.

Zwar wurden die öffentlich-rechtlichen Normen zum Schallschutz eingehalten. Trotzdem besteht in Deutschland das Risiko, dass Bauträger auf der Basis tatsächlicher Störgeräusche zivilrechtlich belangt werden. Unser Kunde wollte auf Nummer Sicher gehen. Er beauftragte uns, Ursachen und Lösungen zu finden – «als letzte Hoffnung», wie er es formulierte.

Die Geräusch-Hypothese
Planungsunterlagen und Baubesichtigung gaben uns erste wichtige Hinweise: unter anderem, dass sich der Schacht mit dem Abwasser-Fallstrang direkt neben schallschutztechnisch relevanten Räumen wie Schlaf-, Wohn- oder Arbeitszimmern befand. Und dass der Fallstrang in unmittelbarer Nähe solcher Zimmer um 90 Grad umgelenkt wurde.

Um Lösungen zu finden, untersuchten wir in unserem bauphysikalischen Labor mittels Quarkspülungen das Geräuschverhalten der Rohrleitungen, und zwar mit und ohne 90°-Umlenkung. Die Vergleichsmessungen brachten uns zu folgender Hypothese: Das Klatschgeräusch entsteht, wenn der Quark auf die Umlenkung trifft. Der so verursachte Körperschall des Rohrs wird über die Brandschutzmanschette auf den Zimmerboden übertragen.

«Um Lösungen zu definieren, mussten wir zuerst das Geräuschverhalten untersuchen.»
Dr. Oliver Wolff, Leiter Bauphysik

Die neue Ruhe
Für einen weiteren Test gossen wir eine Betonbodenplatte, durch die wir zwei Rohre führten. Das eine verlief wie im untersuchten Wohnbau durch eine ungedämmte Brandschutzmanschette. Das zweite Rohr wurde über eine weiche Manschette entkoppelt. Dann klopften wir mit einem Impulshammer an die Rohre, um mit Körperschallaufnehmern die Schwingungen zu messen. Das bestätigte unsere Hypothese: Die weiche Brandmanschette bewirkte 5–10 dB weniger Schallübertragung in den Betonboden.

Mit diesen Ergebnissen konnten wir dem Kunden konkrete Massnahmen empfehlen. Der Schacht für die Gebäudeentwässerung wurde mit Gipskartonplatten ausgelegt, was den Luftschall senkte. Die Rohre wurden gedämmt und die Installation körperschallentkoppelt, von den Rohrschellen über das Ständerwerk bis zu den Brandschutzmanschetten. Diese neue Installation reduzierte den Schall massiv – von ursprünglich rund 38 dB auf rund 25 dB. Das hiess: Auftrag erfüllt, Kunde zufrieden – und die Bewohner geniessen ihre Ruhe.

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