Von der Küche ins Keramikwerk
In Finnland zählt Praxiserfahrung
Unkonventionelle Karrieren wie die von Johan Pihlström und Johan Malmsten sind in Ekenäs (FI) an der Tagesordnung. Die Personalabteilung setzt auf Lernbereitschaft statt eindrücklicher Lebensläufe. Das zahlt sich aus.
Vor über 25 Jahren tauscht Johan Pihlström die Kochschürze gegen ein Übergewand im Keramikwerk im finnischen Ekenäs. Der damals 19-Jährige ist ausgebildeter Koch. Um vor der Restaurantfachschule Geld zu verdienen, jobbt er im Werk. «Ich war jung und mochte das Geld», sagt er mit einem Augenzwinkern.
Er beschliesst, zu bleiben: «Insbesondere wegen der guten Arbeitsatmosphäre, den Kollegen und der Chance, neue Aufgaben zu übernehmen». Heute ist er gefragter Spezialist für die neuste Generation von Druckgussmaschinen zur Herstellung von Sanitärkeramiken. Den Kochlöffel schwingt er weiterhin leidenschaftlich in seiner Freizeit.
«Learning by doing»
Wie Johan Pihlström arbeiten viele Mitarbeitende heute in anderen Bereichen, als sie ausgebildet sind. Das hängt auch mit dem Wandel des Werks zusammen. «Früher haben wir Keramiken von Hand hergestellt, jetzt bedienen die Mitarbeitenden Maschinen», sagt Camilla Karlsson, HR-Managerin in Ekenäs. Praxiserfahrung statt Theorie, oder anders gesagt: Learning by doing.
Aus der Not geboren
Bei der Rekrutierung setzt man auf Quereinsteiger. Eine Praxis, die aus der Not geboren wurde, denn in ganz Finnland gibt es weder Keramiklehrgänge noch andere Hersteller von Sanitärkeramik. Deshalb stellt man hier pragmatischer ein als anderswo. «Wir suchen Leute mit technischem Vorwissen, z.B. aus der Auto- oder Maschinenindustrie», erklärt die Personalverantwortliche.
Oder aus der Baubranche, wie bei Johan Malmsten. Aufgrund einer Rezession im Baugewerbe heuert der frischgebackene Baumeister vor knapp 30 Jahren im Keramikwerk an. Damit will er die Krise kurzfristig überbrücken. Aber wie so oft kommt es anders: «Die Arbeit hat mich so begeistert, dass ich keinen Grund mehr für einen Stellenwechsel sah», erzählt der Finne. Statt auf der Baustelle orchestriert er die Abläufe heute im Ekenäs Tooling Center.
Die Praxis scheint sich auszuzahlen: Das Dienstalter der knapp 180 Mitarbeitenden in Ekenäs beträgt im Durchschnitt beeindruckende 18 Jahre, in der Produktion gar 20 Jahre.